Hallo in die Runde,
auch auf die Gefahr hin der "Kümmelspalter des Jahres" zu werden hier noch meine Anmerkungen zu den 'neuen Thomas Orgeln'.
Die Erste der neuen Thomas Orgeln war tatsächlich die auf Pegasus Technologie aufgebaute Floridian Classic. Auftraggeber war im Januar 1996 der US-Amerikanische Unternehmer Gary Grimes. Dieser war bereits sehr lange im Musikgeschäft - unter Anderem als Geschäftsführer bei Wurlitzer.
Zum damaligen Zeitpunkt betrieb er in Florida unter dem Namen 'Southeast Keyboards' eine Kette von Musikgeschäften. Sein größter Konkurrent waren die die "Fletcher Music Center" - diese waren eng mit dem Hersteller Lowrey verbunden - Lowrey hat denen die Instrumente quasi 'auf den Leib geschneidert' so dass diese perfekt in dessen Marketing-Konzept passten.
Southeast Keyboards hatte im Einstiegsbereich vor allem Instrumente von Orla, war damit aber weder optisch noch musikalisch zufrieden. Außerdem konnte Orla zum damaligen Zeitpunkt (vor Ringway) im High-End-Bereich nichts bieten. Um also zu Fletcher's aufzuschließen hatte sich Gary Grimes die Namensrechte an "Thomas Organs" gesichert und brauchte nun jemanden, der ihm diese Instrumente baute. Und da kam Wersi ins Spiel....
Zunächst hat es einige wenige modifizierte PhonX Orgeln mit speziellen Setups, Styles und Bedienblenden für den US-Amerikanischen Markt gegeben, aber Wersi bekam den Auftrag, ein 'repräsentativeres Gehäuse' und mehr 'Wumms' für die USA zu entwickeln - die bereits erwähnte Floridian Classic. Diese wurde übrigens später auch als Rondo Classic in Deutschland verkauft.
Da Southeast Keyboards sich unabhängig von Orla machen wollte, wurde nach dem erneuten Konkurs von Wersi in 04/1997 die Firma adapTeam als Nachfolger der Wersi Entwicklungsabteilung damit beauftragt zwei Einstiegsinstrumente für Thomas Orgeln zu entwickeln.
Und wozu Wersi nie in der Lage war, hat adapTeam geschafft - sie haben die Einmanualige Orgel "One Man Band" und die Zweimanualige Orgel "Playmate" zum Herstellungspreis von unter 1000,- DM einschließlich Bank, Notenpult, Anleitung, Palette und Karton zu produzieren. Dazu wurde aus Kostengründen als Prozessor ein Mikrocontroller von NEC und als Tonerzeuger ein handelsüblicher PC-Soundchip mit General Midi Sounds verwendet. Aber das spielte in diesem Preissegment tatsächlich keine Rolle!!!
Leider habe ich keinen Zugriff mehr auf die technischen Unterlagen der Leiterplatten so dass ich die genauen Bautele nicht benennen kann. Aber ich kann mich noch recht gut daran erinnern, dass das Ding gar nicht mal so schlecht klang - vor Allem im Vergleich zu den 1997 üblichen Orlas oder auch einer Wersi Elektra.
Als nächstes Instrument kam dann die "Stardust" - diesmal mit 'fast echten Zugriegeln' - also über Tipptaster mit LED-Ketten. Ich glaube, man hatte dann bereits einen SAM9233 samt dream GM-Soundbank als Tonerzeuger spendiert - dieser wurde dann auch zum Erzeugen der Zugriegel verwendet.
Für den US-Markt ist man zwar bei den üblichen "Karnickelställen" geblieben, wenn auch diesmal mit Rolldeckel, aber für den EU-Markt sah die Stardust dann fast wieder wie eine echte Wersi aus:
Bevor es dann zur Thomas 4+5 gekommen ist habe ich die Firma adapTeam verlassen. Soweit ich mich erinnere ist auf der Musikmesse 2000 dann noch die neue 'große' Thomas 7 - also das größere Modell oberhalb der Floridian - als Designstudie vorgestellt worden. Kurz danach ist adapTeam aber in Konkurs gegangen und deren Geschäftstätigkeit im Großen und Ganzen erloschen.
Sicherlich hat zum Niedergang von Thomas / adapTeam auch beigetragen, dass auch Sountheast Keyboards in Konkurs gegangen ist. Wobei deren Konkurs wahrscheinlich nichts mit deren Geschäftsmodell zu tun hatte, denn Fletchers mit dem Selben Geschäftsmodell ist noch aktiv. Gerüchteweise hat man von einer teuren Scheidung des Inhabers gehört...
Zwar hat adapTeam mit der Marke Thomas auch in Deutschland versucht Fuß zu fassen, aber Deutschland ist nicht die USA und das dort funktionierende geniale Vermarktungskonzept des 'cycle sellings' funktioniert nicht ohne Weiteres auch in Europa bzw. Deutschland.
in Deutschland ist übrigens noch eine Internetseite mit Thomas Orgeln aktiv, die hat aber nur am Rande etwas mit den damaligen Entwicklungen zu tun.
Sooo - ich hoffe, der Text ist nicht zu lang geworden, aber vielleicht fand der Eine oder Andere diesen geschichtlichen Exkurs unterhaltsam und informativ.
Viele Grüße, Thorsten